Accessoires sind das Band zum Kunden, das über das Auto hinaus geht. Bei Bentley in Crewe eine Aufgabe für Karin Schilcher.
"Welcome!" Freundlich begrüsst uns Karin Schilcher am Empfang von Bentley, führt uns durch schmale Gänge ins Besprechungszimmer. Wir landen in einem Raum mit Stil, very british möbliert, etwa so, wie man sich von Rosamunde Pilcher in einem Herrenhaus die Library, die Bibliothek mit Fireplace vorstellt. Am Bentley-Hauptsitz im ehemaligen Eisenbahnknotenpunkt Crewe, auf halber Strecke zwischen Manchester und Birmingham gelegen, trägt die sympathische Deutsche den Titel "Director Licencing and Branded Goods", ist verantwortlich für sämtliches Lifestyle-Accessoires der britischen Nobelmarke.
Früher fristete das Accessoires bei den Engländern ein Schattendasein, heute jedoch misst Bentley der Präsenz der Marke über das reine Auto hinaus wachsende Bedeutung zu und es gibt eine regelrechte Accessoires-Modellplanung, die mit der Erweiterung der Wagenpalette à la SUV Bentayga Hand in Hand geht. Karin Schilchers Team umfasst acht Personen, mit denen die 43-jährige gemeinsam Inspiration für mögliche Produkte sucht und die Ideen umsetzt. Das können exklusive Damen-Handtaschen sein, Manschettenknöpfe, ein Männerduft oder gar eine Möbellinie. In diesem Sommer ist mit Bentley Golf ein dem Bentley-Fahrer meist bestens bekanntes Accessoires dazu gekommen, mit eigenen Golfschlägern und eigener Golfausrüstung.
Die Ideen entstehen nicht durch externe, schnelllebige Trends. "Auch Accessoires muss zeitlos sein", meint Schilcher, die vor ihrer Bentley-Zeit bei Firmen wie Willy Bogner oder Porsche Design die Lizenzierung verantwortete. Daher müssen neue Produkte und deren Look aus den Autos heraus generiert werden. Typisches Beispiel dafür sind die Manschettenknöpfe, die es unter anderem in Form der Rückleuchten des Continental GT gibt, in Form des Motoröldeckels, oder in Form der Schieber für die Lüftungsdüsen im Armaturenbrett. Wie die fast 50-köpfige, für die Fahrzeug-Individualisierung zuständige Spezialabteilung 'Mulliner', ist Schilchers 8-Personen-Accessoires-Team früh im Designprozess der neuen Wagen involviert, um bei deren Einführung auch mit dem passenden Gadget zur Stelle zu sein.
Daneben forscht das Team dauernd nach Interessensgebieten, die bestehende und potenzielle Fahrzeugkunden fesseln könnten. Golf lag dabei auf der Hand. Doch wie umsetzen? "Von unserer Markenphilosophie her ist es unvereinbar, dass wir ein bestehendes Produkt nehmen und ihm unser 'B' aufdrücken", sagt Schilcher. Nur die Entwicklung eines eigenen Produkts könne sicherstellen, dass die Markenidentität voll und ganz integriert werde. "Wo Bentley drauf steht, muss der Kern, der Geist der Marke enthalten sein", fasst sie das Credo ihre Tätigkeit zusammen.
Dazu wird eng mit den In-House-Spezialisten aus der Fahrzeugproduktion zusammen gearbeitet, um mögliche Umsetzungen zu besprechen und Lösungen voranzutreiben. Die Autos aus Crewe zeichnen sich bekanntlich durch eine besonders hochwertige Verarbeitung von Metall, Holz und Leder aus, aber auch durch eine beispielhafte Oberflächenveredelung. Mit diesem internen Know-how werden die Zulieferer instruiert, damit die Knöpfe der Handtasche, die Nähte und das Muster der Lederjacke, die Deckel des Parfüm-Flakons oder die Oberfläche des Manschettenknopfs dem Stil und den Ansprüchen des Hauses Bentley entsprechen. "Das gehört zum Prozess, um auch beim Accessoires ganz sicher zu gehen, dass unsere Passion für die Perfektion zum Ausdruck kommt."
Exemplarisch für diese Vorgehensweise wandte sich Schilchers Team beim Thema Golf an einen ausgewiesenen Spezialisten, und zwar an Professional Golf Europe PGE. Gemeinsam mit PGE entwickelte die im Bentley-Team für das Projekt verantwortliche Alison Lacy die Kollektion: Welche Artikel sollte sie umfassen? Wie sollten die Teile aussehen? Wie sollten sie beschaffen sein? Neben dem 'nice to have' wie Handschuhe, Ballmarker und Transporttaschen stand vor allem ein komplettes Schlägerset im Zentrum der Bemühungen. Bezüglich Design der Clubs wurden markentypische Elemente der Wagen vorgegeben, wie die markante Knicklinie des hinteren Kotflügels des Continental GT oder die Flügelform des Armaturenbretts.
Doch nicht nur der Look, auch die Materialien und die Verarbeitung sollten 'Bentley-like' sein. Vega Golf, als Teil von PGE, erfüllt diese Vorgaben auf ideale Weise, denn am östlichen Stadtrand von Tokio gelegen fertigt Vega Golf noch heute die Schläger mit jener Handwerkstechnik, die über die Jahrhunderte zur Herstellung der Samurai-Schwerter genutzt wurde. "Wir suchen generell das Spezielle - und dazu müssen auch unsere Partner bereit sein", fasst Karin Schilcher zusammen. Dabei kommt es nicht auf Grösse oder Bekanntheit des Partners an, sondern auf dessen Bereitschaft jene Extrameile zu gehen, die Bentley auch bei der Herstellung seiner Fahrzeuge geht.
Stephan Manfredi/Martin Schatzmann
Seit Dezember 2019 leitet Karin Schilcher das Departement Lifestyle und Lizenzmanagement bei der Volkswagen Zubehör GmbH. >>