McLaren 570GT auf Teneriffa

Geschichte erschienen in Roadbook Magazine Nr. 25, Winter 2016

Story published in Roadbook Magazine No 25, Winter 2016


Heckansicht des McLaren 570GT oben auf einer Bergstrecke. Im Hintergrund das Teide-Observatorium
McLaren 570GT vor dem Teide-Observatorium auf Teneriffa

Neue Weekend-Lust

In der Gilde der Supersportwagen ist McLaren der Youngster. Doch wie es junge Wilde so an sich haben, suchen auch die Briten aus Woking das Abenteuer. McLaren stellte sich jüngst der Herausforderung einen Sportwagen zu entwickeln, der sogar zum Wochenendausflug taugt: der 570 Gran Tursimo. Wir wagen das Experiment und unternehmen eine Reise, die uns hoch über die Wolken bringt.

McLaren 570GT an einer Kurve
Es kann nie genügend Kurven haben

Längst schon liegen die letzten Häuser von Puerto de la Cruz hinter uns, Kurve um Kurve schwingen wir die in Pacific Blue lackierte Flunder locker den Berghang hinauf, leichtfüssig und scheinbar unaufhaltsam. Dann tauchen wir von unten in den Wolkenkranz ein, der sich an der Bergflanke des Teide-Massiv staut. Eine richtige Suppe, die den Rhythmus der Fahrt bremst und Zeit zur Kontemplation erlaubt. Unser Wagen ist McLarens Jüngster. Der 570GT gehört zu den Modellen der sogenannten Sports Series, mit denen die Briten ihre Produktionszahlen verdreifachen wollen. Ein Massenprodukt sozusagen, wobei der Begriff "Masse" relativ ist, denn die gesamte Jahreskapazität von McLaren ist auf maximal 5000 Sportwagen limitiert. Selbst bei dereinst voller Auslastung bleibt McLaren-Fahren also ein exklusives Ereignis.

Blaue Flecken am Himmel, ein erster Sonnenstrahl – wir stechen wie ein Jet im Steigflug oben aus der Wolkendecke. Für die Erprobung des 570GT hat uns McLaren weit hinaus in den Atlantik geholt, um auf Teneriffa, der grössten der Kanarischen Inseln, gebührend Kurven und Fahrspass zu erleben, in exotischer Umgebung, wie sie nur eine Vulkaninsel bieten kann. Inzwischen sind wir weit über 2000 Meter Seehöhe gestiegen und geniessen den freien Blick auf Spaniens höchsten Berg, den 3718 Meter hohen Pico del Teide. Nach ihm ist auch das Naturschutzgebiet bezeichnet, das von der Unesco zum Weltkulturerbe ernannt wurde, und sich als unwirkliche Landschaft aus Felsen und Lava-Kegeln am Fuss des Berges ausbreitet. Eine Strasse von betörender Führung bezüglich Kulisse und Verlauf, denn die von einzelnen exotischen Pflanzen gesäumten Geraden zwischen den vielen Kurven sind gerade lang genug, um den 570 PS des im Heck positionierten 3,8-Liter-Biturbo-V8 etwas freien Lauf zu lassen.

McLaren 570GT Touringdeck mit Picknick-Korb
Touringdeck und Heckscheibe

Ohne Weichspüler

"Wir kommen dem Wunsch vieler Interessenten nach, die gerne etwas mehr Alltagsnutzen hätten", erklärte Produktmanagerin Donna Falconer anlässlich der Vorstellung des 570GT im Rahmen des diesjährigen Salon Genf. Selbstredend steht die Bezeichnung GT für Gran Turismo und bringt die Grundkonzeption des neuen McLaren unmissverständlich zum Ausdruck. Allerdings hat ihn McLaren nicht weichgespült, wie Beschleunigungswerte von 3,4 Sekunden für 0–100 km/h und von 9,8 Sekunden für 0–200 km/h deutlich machen. Der 570GT tummelt sich in den Gefilden von Supersportwagen und misst sich dabei mit Ikonen wie dem Porsche 911 Turbo. Gran Turismo wurden dem jungen Briten vor allem in Sachen komfortablerem Fahrwerk, höherer Transportkapazität und besserer Komfortausstattung anerzogen.

Eine Abzweigung und unzählige Kurven weiter stoppen wir vor dem Schlagbaum des Teide-Observatoriums. Seit über 50 Jahren wird auf rund 2400 Metern Seehöhe in den Himmel geschaut, heute ist man vor allem auf die Sonnenbeobachtung spezialisiert. Hier an der beeindruckenden Teleskopanlagen machen wir Pause, picknicken in der kargen, kleinen Parkanlage. Anders als das kompromisslos sportliche Schwestermodell 570S besitzt der GT im Nacken der Insassen einen kleinen Stauraum, der über die neue Heckscheibe zugänglich ist. "Touring-Deck" heisst das im McLaren-Jargon, ist lederbezogen und bietet als Ablage Platz für eine kleine Tasche von der Grösse eines Daybags. Hier transportieren wir auch unseren Picknick-Korb, dessen Inhalt uns die Pause beim Observatorium versüsst. "Ein Wochenendausflug zu zweit war für uns die Orientierungshilfe bei der Konzeption", hatte Donna Falconer das Prinzip erklärt. Und was wäre ein Wochenendausflug, ohne die dazu passende Tasche? Also wurde erstmals in der erst kurzen Existenz von McLaren Automotive ein eigenes Reisetaschenset entworfen.

Vulkan und karge Landschaft im Teide Nationalpark
Bizarre Wunderwelt der Hochebene des Teide-Nationalparks

Die Leichtigkeit des Seins

In Bezug auf Karbon spielte McLaren im Rennsport lange vor der Gründung von McLaren Automotive im Jahr 2010 eine zentrale Rolle. Bereits seit 1981 kommt in den Formel-1-Wagen aus Woking das Karbon-Monocoque zum Einsatz. In den vergleichsweise jungen Strassenfahrzeugen von McLaren Automotive bildet ebenfalls die als Karbon-Monocell bezeichnete Monocoque das zentrale Rückgrat der Autos. Allerdings wird in Modellen wie dem 570S und dem 570GT auf eine Karbon-Karosserie zu Gunsten einer preiswerteren Aluminium-Haut verzichtet. Das macht die Wagen um rund 30 kg schwerer, allerdings hat unser GT gleichwohl ein bemerkenswert sportliches Leistungsgewicht von 2,37 kg/PS zu bieten. Und das spüren wir erfreut mit jedem Meter unserer sportlichen Fahrt.

Leistungsgewicht und Twinturbo-V8 verhelfen dem gut 4,50 Meter langen, aber mit 1,20 Metern ungemein flachen Wagen zu einer Leichtfüssigkeit, die ihresgleichen sucht. Die Lenkung bietet eine ungemein präzise Rückmeldung, jede neue Kurve ist ein Erlebnis wie auf dem Tanzparkett beim Swing. Für den GT wurden zwar die Federraten reduziert, die Lenkübersetzung verändert und statt Corsa- kommen Strassenreifen zum Einsatz. Das macht, dass der 570GT etwas komfortabler federt und an der präzisen Lenkung beim Highspeed-Cruisen etwas weniger sensibel ist. Und wir erleben es auf den gripstarken Strassen der Vulkaninsel als die ideale Abstimmung.

McLaren 570GT Cockpit
Arbeitsplatz für vergnügliche Stunden (McLaren)

Neue Klasse

Komfortausstattung wird im 570GT unter anderem durch das Panoramadach zum Ausdruck gebracht, das in Fortsetzung mit der klappbaren Heckscheibe für einen lichtdurchfluteten Innenraum sorgt. Flankiert wird dies von hochwertigerem Leder, besserem Soundsystem, elektrischen Zuziehhilfen für die Flügeltüren und elektrischer Sitzverstellung mit Memory. Das sorgt aber auch dafür, dass der 570GT ab gut 212'000 Franken auf der Preisliste steht, und so stellt er auch den teuersten Listenpreis jener Einsteigerklasse dar, die McLaren mit der Sports Series entwickelt hat.

Doch auch die schönste Strecke führt irgend einmal zum Ziel, zum Ende einer Fahrt. Auf der Hochebene steuern wir Richtung Westen. Als sich an der Bergkante wieder der Blick aufs Meer öffnet, stechen wir in die Tiefe, düsen die Kurven durch die Kieferwälder, hinunter nach Vilaflor und Arona, und enden schliesslich in Playa Paraiso, wo wir früher am Tag zur Fahrt gestartet waren. Wir waren über drei Stunden unterwegs, doch die Fahrt kommt uns vor wie ein Augenblick. Sie ist von einer ungewohnten Intensität und ging gleichwohl ungemein locker von der Hand. Ein Gran Turismo, der die schnellen Kurven liebt, neutral und frei von tückischen Reaktionen bleibt, und am Ende des Tages für ein zufriedenes Lächeln auf das Gesicht sorgt. Wenn sich so der Start in ein McLaren-Wochenende zu zweit anfühlt, dann freut sich der Fahrer schon bei Ankunft auf die Rückfahrt.

Martin Schatzmann

Reinvent your weekend

McLaren Automotive is the youngster in the ranks of super sports cars. Like wild young ones tend to do, the British from Woking are on tge hunt for adventure. McLaren recently took on the challenge of developing a sports car that would even be suitable for weekend trips: The 570 Gran Turismo. We took on the experiment and embarked on a journey that brought us over the clouds.

McLaren 570GT fährt durch Kurven im Wald
McLaren 570GT beim Kurventanz auf Teneriffa (McLaren)

After leaving the last houses of Puerto de la Cruz behind us, we glide up the mountainside, lunging from hairpin to hairpin, in a Pacific Blue car, nimble and seemingly unstoppable. Suddently we come up into a cloud belt that has formed on the flank of Mount Teide. A dense mass that slows down the rhythm of the ride and allows time for contemplation. Our car is the newest version of McLaren's Sports Series, the 570GT, with which the British intend to treble their production figures. A mass product, so to speak, with the term "mass" being relative, since McLaren’s total annual capacity amounts to no more than 5,000 sports cars. So even at full capacity, driving a McLaren still remains an exclusive event.

Patches of blue in the sky, a first ray of sunshine, we shoot out like an upward moving jet over the cloud cover. McLaren has brought us far out into the Atlantic, to Tenerife, the largest of the Canary Islands, to test drive the 570GT. Here, we can experience curves and driving pleasure in an exotic environment as only a volcanic island can offer. We are now a good 2,000 meters above sea level and are rewarded with a clear view of Spain's highest mountain, the 3,718 meter high Pico del Teide. The Teide National Park, named after it, and declared a UNESCO World Heritage Site, unfolds in a landscape of rocks and petrified lava from the foot of the mountain. It is a spectacular road to drive in terms of course and scenery since the exotic plant-lined straights between the curves are just long enough to allow the rear mid-mounted twin turbo 3.8 litre V8 engine to reach its full potential of 570 hp.

McLaren 570GT in schneller Kurve im Wald
McLaren 570GT in einer schnellen Schlaufe runter vom Berg (McLaren)

No softening

"We are catering to the request of many prospective customers who would like to have a little more everyday use", explained product manager Donna Falconner at the presentation of the 570GT at this year’s Geneva Motor Show. GT stands for Gran Turismo, making the basic concept of the new McLaren absolutely clear. But McLaren has not softened it, as acceleration values of 3.4 seconds for 0-100 km/h and 9.8 seconds for 0-200 km/h clearly demonstrate. The 570GT joins the ranks of super sports cars and measures up to icons such as the Porsche 991 Turbo. The Gran Turismo concept is integrated in the new British model especially in terms of a more comfortable chassis, greater transport capacity and improved comfort features.

After a diversion and countless bends later, we stop at the gate to the Teide Observatory. Man has been looking into the skies from this 2,400 meter point for more than 50 years; today, the main focus is solar observation. We decide to have our picnic in the small, sparsely vegetated park beside this impressive telescope facility. Unlike the uncompromisingly sporty 570S sister model, the GT has a small storage space at head level behind the passenger seats, which is accessible via the new rear window. The "Touring Deck" is McLaren jargon for the leather-trimmed storage space with enough room to hold a small bag the size of a daybag. This is where we kept our picnic basket, the contents of which we thoroughly enjoyed during our break at the observatory. “A weekend trip for two served as guidance in terms of design”, explained Donna Falconer. And what would a weekend trip be without the appropriate bag? So, for the first time in the very short existence of McLaren Automotive, a special travel set was designed.

McLaren 570GT, Heckansicht
Kleine Pause am Eingang des Nationalparks

The ease of being

In terms of carbon, McLaren played a central role in the racing industry long before McLaren Automotive was founded in 2010. The carbon monocoque has been used in the Formula 1 cars from Woking as far back as1981. This monocoque, referred to as the MonoCell, also forms the backbone of the comparatively young road vehicles from McLaren Automotive. However, models such as the 570S and the 570GT do not have a carbon body, but less expensive aluminium panels instead. This makes the car about 30 kg heavier, but our GT still boasts a remarkably sporty power to weight ratio of 2.37 kg/hp. And we can feel it with every meter of our sporty drive.

The power to weight ratio and the twin turbo V8 engine contribute to the unrivalled agility of the 4.5 meter long car, with its 1.2 meter extremely flat carriage. The steering offers exceptionally precise feedback and every curve is an experience like an energetic swing dance. In the GT model, the spring rates have been reduced, the steering ratio changed and road tyres fitted instead of Corsas. This gives the 570GT a more comfortable suspension and makes precise steering at high speed cruising less sensitive. And we find it an ideal design on the grippy roads of the volcanic island.

Strasse mit Kurvenausgang
Strasse, Kurve, Landschaft - Teneriffa

New class

The comfort features of the 570GT include a panoramic roof which, in continuation with the folding rear window, ensures a light-filled interior. This is complemented by high-quality leather, a better sound system, power closing wing doors and power adjusted seats with memory function. But this means that the 570GT comes in at a lofty figure of around €197,000, making it McLaren’s most expensive entry level Sports Series car.

But even the most beautiful routes must reach a destination, a journey’s end. We head west on the plateau. As a view of the sea opens up again, we sail downhill, flying around the bends through the pine forests as far as Vilaflor and Arona, and end up back in Playa Paraiso, where we started earlier that day. We had been on the road for more than three hours, but the trip seemed to go by in a flash. It was incredibly intense but yet remarkably easy. A Gran Turismo that loves fast corners without any negative reactions is guaranteed to put a smile on your face at the end of the day. If the start of a McLaren weekend for two feels like this, then the driver will already look forward to the return trip upon arrival!

Martin Schatzmann



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